In allen sechs Partien ging es wild zu und her. Eine kleine Übersicht:
-    Stefan opferte mit Schwarz in der Caro-Kann-Abtauschvariante (die ja nicht als besonders aufregend gilt) bereits früh eine Figur, wofür er im Gegenzug einen gewaltigen Angriff erhielt. In einer taktisch unfassbar komplexen Partie fand der Gegner dann einige gute Verteidigungszüge und konnte mit dem König aus der Gefahrenzone flüchten, sodass sich Stefan nach langem Kampf geschlagen geben musste.
-    Konstantinos’ Partie war die verhältnismässig ruhigste: Mit einem etwas unsicheren König musste er sich zu Beginn ein wenig verteidigen, dann übernahm er aber am Damenflügel die Initiative und gewann souverän, ohne gross Gegenspiel zu erlauben.
-    Anselm hatte zunächst einen Bauern mehr, in Zeitnot verlor er dann aber eine Figur und musste von da an auf Tricks spielen. Mit Erfolg: Der Gegner gab seine Mehrfigur zurück, weil er glaubte matt setzen zu können, aber dank einer versteckten Verteidigung konnte Anselm in ein gewonnenes Turmendspiel überleiten.
-    Den schönsten Sieg feierte Fabian: Zuerst dominierte er mit Weiss die Eröffnung, dann konnte er mit einem Läuferopfer die gegnerische Königsstellung ruinieren. Einige Züge später sah sich der schwarze König zu vielen Drohungen gegenübergestellt, sodass sich der Gegner bereits nach 23 Zügen gezwungen sah, aufzugeben.
-    Lluís’ Partie war ebenfalls wild: Kurz nach der Eröffnung sah er bereits wie der sichere Sieger aus, da er ein vermeintlich undeckbares ersticktes Matt drohte. Aber der Gegner fand eine komplizierte Verteidigung, sodass es Lluís nicht zu mehr als einem Dauerschach reichte.
-    Raphael wollte nach ausgeglichener Eröffnung sehr aggressiv sein, sodass er versuchte, am Königsflügel direkt auf Angriff zu spielen. Das rächte sich aber einige Züge später, als die generischen Schwerfiguren eindrangen und Raphaels offenen König keinen sicheren Platz mehr finden konnte.

Anselm

Wir waren zu Gast bei Gligoric 1, dem Spitzenreiter-Team, das bisher alle Matches für sich entscheiden konnte. Es erwartete uns also eine schwere Aufgabe und das diesmal ohne unseren Captain Kurt! Fast alle Spiele wurden im Endspiel entschieden. Patrik an Brett fünf hatte mit Schwarz einen materiell ausgeglichenes Läuferendspiel vor sich, das er dank eines gedeckten Freibauern für sich entscheiden konnte. Christoph hatte währenddessen mit Schwarz in der Eröffnung einen Bauern geopfert in der Hoffnung auf Initiative am Damenflügel, die sein Gegner aber erfolgreich eindämmte. Das komplexe Mittelspiel wurde von seinem Gegner taktisch geschickt in ein Turm-Endspiel abgewickelt in dem der Extra-Bauer dann spielentscheidend wurde. Walter hatte mit Weiss auf h8 eine Qualität gewonnen, allerdings bekam sein Gegner im Gegenzug einen starken Angriff auf den Königsflügel, der letztlich spielentscheiden war. Nach ca. drei Stunden stand es also 1:2 gegen uns und die Hoffnung lag auf den ersten beiden Brettern. Dort spielten Linus und Kostas jeweils ein Endpiel mit einem Mehrbauern. Linus hielt die Partie kompliziert, es war unklar ob und wie er das Spiel gewinnen könnte - als seinem Gegner plötzlich die Zeit ablief. Zwischenstand 2-2 und nun waren alle Augen auf Kostas an Brett 1 gerichtet. Zwar hatte er einen Mehrbauern, aber das Endspiel mit Türmen und ungleichfarbigen Läufern schien ausgeglichen. Als die Türme vom Brett gingen war wohl nichts mehr zu machen. Kostas probierte es trotzdem noch eine Weile, aber als der Elo-starke Gegner schon demonstrativ ein Bier öffnete und seine Entspannung signalisierte, willigte er in ein Remis ein. Insgesamt ein starkes Ergebnis mit dem wir weiterhin als Team ungeschlagen sind.

Christoph

Christoph springt als Coach ein für mich, da ich für ein verlängertes Wochenende in Rom weile. Christoph berichtet mir vom Showdown: Wir haben 2.5 - 2.5 unentschieden gespielt. Bei mir war es eine viereinhalbstündige Partie mit langem interessanten Endspiel. Am Ende stand es Dame gegen vier vorgerückte Bauern. Das hat zum Sieg gereicht, allerdings ging die Partie sicher 30-45 Minute länger als alle anderen 12 Partien im Raum.
Nina hat neben mir stark gespielt, sie hat aber etwas unglücklich auf Zeit verloren, wenn ich es richtig mitbekommen habe. Ansonsten hab ich die Details der Partien nicht so verfolgt. Bei Christof sah es nach solidem Remis aus. Sebastian kam in eine ungewöhnliche Eröffnung und berichtet dazu selber: "It was a French Tarrasch with 3. c5. Very interesting position. I played f5 in move 12 and won a piece for 3 pawns but on the next move I made a mistake and missed a tactical sequence from my opponent that won him an exchange back, leaving him with material and positional advantage. After that it was complicated but I was lost."
… Christoph fährt fort:
Linus in der zweitlängsten Partie hat nach einem kleinen Disput gewonnen, bei dem die Schiedsrichter kurz involviert waren -- sein Gegner hatte einen Springer falsch gezogen. Danach musste er ihn auf ein weniger vorteilhaftes Feld stellen und es ging dann nicht mehr lange weiter.

Kurt

Bei Wintereinbruch im SGM-geschwängerten Theatersaal im Verbund mit anderen Teams den Saisonauftakt zu spielen, ist eine gefreute Sache
Lorenzo schreitet den schwarzen Figuren in 19 Zügen schnurgerade zum 1. Sieg für ein Réti-Team: Bravo! Er berichtet, er habe 10 Züge lang Theorie gespielt. Durch Bauertausch in der Mitte konnte sein b7 Weissläufer die ganze Diagonale sehen. Ohne viel Zeit zu verlieren, sprengt er kurzerhand das Zentrum mit c5 und e5, nützt gleichzeitig die schwachen gegnerischen Bauern aus und kombiniert das Ganze mit einer Mattdrohung. Der Gegner hat versucht alles passiv zu verteidigen, jedoch übersehen, dass seine Dame überbelastet war, was zu taktischem Figurengewinn führt.
Kurz darauf schlägt Sebastian Curi zu und führt aus:
"The game was a 150 attack against a pirc defense with early opposite side castle: no draws. Helmut started attacking b5-b4-a4 but I arrived first with h4-g4-h5. Helmut sacrificed a pawn to keep the h-file open, but the attack didn't stop and finished with a checkmate with a pawn on g7.
Die beiden Damen ein jedes Teams kämpften mit harten Bandagen an Brett 5, für Kiebitze höchst unterhaltsam. Nina berichtet:
In meiner Partie kam Französisch, und ich konnte schon bald ihren König angreifen. Als sich die Stellung dann wieder beruhigt hatte, konnte ich dann mit einem Doppelangriff die Figur, und somit das Spiel gewinnen.
Christoph Stadtfeld konnte mit Schwarz recht früh einen schwachen Isolani-Bauern gewonnen und dann in ein gewonnenes Turm-Endspiel abwickeln.
Meine eigene Partie gegen eine noch nicht sehr turniererfahrenen aber mit allen Wassern gewaschenen Gegner dauert mal wieder den ganzen Nachmittag bis in die früh einbrechende Nacht. Nach viel Strategie und Technik ergibt sich für Weiss zum Schluss plötzlich Gelegenheit zu einem Feuerwerk der Extraklasse: Als ich auf Messers Schneide einen Bauern unterverwandle in einen Springer mit Schachgebot und Deckung des weiteren h6-Freibauern, entfährt dem verblüfften Gegner ein veritables "ouuh wow!": Es ist echt wundersam, sowas in echt auf dem Brett zu sehen: Die Unterverwandlung in der Praxis ist wohl seltener als ein Royal Flush im Pokerspiel. Schon beinahe banal war in der Folge mein DxT beantwortet mit KxD, worauf mein frisch eingewechselter Springer mit einer Schach-Gardez-Gabel den Schlussakkord setzt.
Fazit: Wo wir elomässig gewinnen mussten, haben wir erfüllt, wo wir gewinnen durften, haben wir mehr als erfüllt.

Kurt